Wenn in den letzten Tagen über die vielen von uns wohl bekannte Firma Apple Inc. aus Cupertino berichtet wurde, dann häufig auch über Steve Jobs, einer der Gründer und die Leitfigur von Apple, der leider vor kurzem verstorben ist.
Ganz verschiedene Stimmen, mit ganz unterschiedlichen Tendenzen melden sich zu Wort. Ja sogar die Braunschweiger Zeitung widmete Jobs eine ganze Seite (erstaunlich!). Es wird viel gesagt, Lobeshymnen werden gesungen, aber es gibt auch viele kritische Stimmen. Die Krönung ist nun eine Aussage von Richard Stallman, zu finden in seinem Blog. Übersetzt sagt Stallman etwa das folgende:
“Steve Jobs, der Pionier, der Computer zu einem coolen Gefängnis gemacht hat, um Narren von Ihrer Freiheit zu trennen ist gestorben.
Und wie der Chicagoer Bürgermeister über den korrupten Vorgänger Daley sagte: ‘Ich freue mich nicht darüber, dass er tot ist, aber ich bin froh, dass er weg ist.'”
Niemand verdiene zu sterben, auch nicht Jobs und nicht einmal Menschen, die an noch größeren Übeln schuld seien, erklärte Stallman. “Aber wir alle verdienen das Ende des unheilvollen Einflusses von Jobs auf die Computernutzung der Menschen. Leider bleibt dieser Einfluss trotz seiner Abwesenheit. Wir können nur darauf hoffen, dass seine Nachfolger, die versuchen, sein Vermächtnis weiterzutragen, weniger erfolgreich sein werden.” (Quelle: Golem.de)
Richard Stallman ist nicht irgendwer. Er ist einer der bekanntesten Aktivisten der OpenSource-Szene, Gründer des GNU-Projekts und er war der erste Präsident der Free Software Foundation.
Jeder kann sich seine eigene Meinung zu diesen Äußerungen bilden. Für mich persönlich lassen diese Zitate tief blicken. Anständig geht anders, womit aus meiner Sicht auch schon alles dazu gesagt ist.
Dennoch, in den Diskussionen -schon vor dem Tod von Steve Jobs- werden immer wieder die gleichen Vorwürfe an Apple gerichtet:
- Apple Produkte sind viel zu teuer. Die Hardware bspw. kann man doch viel billiger bekommen.
- Apple Produkte schränken die Benutzer ein, bevormunden gar die Anwender und zwängen sie in ein Gefängnis deren Spielregeln der Oberaufseher Apple vorgibt.
- Und sowieso sind Apple Produkte nur schön gestaltete Standardkost.
Mein erster Kontakt
Nun bin auch ich ein überzeugter Apple-Anhänger, Fanboy, Jünger, … wie auch immer wir genannt werden. Das war jedoch nicht immer so.
Als Jobs 2007 das erste iPhone präsentierte sah meine Standardumgebung etwa folgendermaßen aus: Dell Vostro 1310 Notebook mit Windows XP, später dann Windows 7 x64 Ultimate. HTC Touch Diamond Smartphone, angebunden an einen privat genutzten Open-Xchange-Server und einen beruflich zu nutzenden Microsoft Exchange Server. Natürlich auch Linux in den verschiedensten Varianten: OpenSuSE auf verschiedenen Servern (damals, inzwischen durch Debian ersetzt :), RedHat, SLES, SLED, AIX, IRIX, Solaris, … das volle Programm.
Ganz zufrieden war ich, und bin es noch, mit der Vielfalt im Desktop- und Serverbereich. Aber eines meiner wichtigsten Arbeitsgeräte, das Smartphone, waren für mich ein steter Quell des Unheils. Und meine Odyssee war lang!
Mein erstes Smartphone war ein MDA compact, dann der MDA Vario II mit Windows Mobile 5. Dann kam ein HTC Touch, dann der HTC Touch Diamond, mit inzwischen Windows Mobile 6. Ein absoluter Horror, aber es gab nichts “besseres”:
- E-Mails lesen? Ja, ging aber nur wenn es denn unbedingt sein musste. Die E-Mails waren einfach völlig zerrissen, keine Formatierung stimmte.
- E-Mails schreiben? SMS.
- Im Web stöbern? Mit dem Internet Explorer auf Windows Mobile sah jede Webseite aus wie eine WAP-Seite. Lieber lassen. Erst mit dem Opera mini kam halbwegs sowas wie “Ok, kann man ab und an nutzen, wenn es gar nicht anders geht.” auf.
- Kalender synchronisieren? Ja, ging auch, sogar gut. Aber nur ein Kalender in Exchange und nur der Hauptkalender. Von mehreren Exchange Accounts wollen wir gar nicht reden. Und ganz am Anfang musste das, mangels Datenflat und EAS, noch über den Anschluss an den PC erfolgen (ActiveSync). Man sollte doch meinen das Microsoft das besser kann, sind ja beides Produkte aus deren Haus.
- Backup? Au weia! Ein neues Gerät, ein neues Betriebssystem bedeutete immer tagelanges neu installieren, aufspielen aller Anwendungen usw.
- Telefonieren im Auto, per Freisprecheinrichtung? Ja, ging auch. Aber nur mit Windows Mobile 5. Seit Windows Mobile 6 funktionierte das in meinem Auto mit eingebauter Bluetooth-Freisprecheinrichtung nicht mehr, weil Microsoft irgendein Profil geändert hatte. Damals habe ich sogar in regem Kontakt mit den Entwicklern eben dieser Freisprecheinrichtung gestanden – in Japan. Ergebnis, sorry, geht nicht mehr. Doll.
Das sind nur einige Beispiele. Kurz: Es war ein K(r)ampf!
Dann kam Steve. Und damals kaufte sich ein guter Bekannter das neue Telefon von Apple. So hatte ich Gelegenheit es mir anzusehen, damit zu “spielen”, zu testen. Wow! E-Mail, echte E-Mail! Webbrowser, ein echter Webbrowser! Was war ich angefixt 🙂
Aber zu teuer war es mir doch, viel zu teuer. Außerdem ging ja kein Exchange. Und sowieso, UMTS muss sein. Genauso brauche ich die ganzen Zusatzprogramme die ich immer hatte. Meinte ich.
Dann kam das iPhone 3G, mit iPhone OS 3.0. Und jetzt war es vorbei. Ab in den T-Shop, gekauft. Zu Hause iTunes installiert. Angeschlossen, aktiviert. Exchange eingerichtet (iPhone OS 3.0), damals war nur ein Exchange Account möglich. Den zweiten als IMAP-Konto. synchronisieren, fertig.
Leute ich war zufrieden! Endlich war ich mit meinem Smartphone zufrieden. Ich konnte E-Mails vernünftig lesen, ich konnte sie sogar beantworten. Die Bildschirmtastatur stellte sich als so gut heraus, dass ich mehr und längere Mails schrieb als jemals zuvor auf meinem Telefon. Funktionierender Kalender, ja sogar alle Unterkalender die ich angelegt hatte waren verfügbar (das konnte nichtmal Windows Mobile). Ein Webbrowser der diesen Namen verdiente. Wahnsinn.
Und die Kosten? Ja, teuer, aber das war und ist es wert. Ganz einfach weil meine Arbeit dadurch leichter wurde. Ich spare Zeit und Nerven.
Freisprechen im Auto konnte ich nun auch wieder.
Etwas neues von Google
Dann kam Android und natürlich musste ich mir auch das ansehen. Das erste Gerät, dass in Frage kam war das Motorola Milestone. Schönes Telefon, gute Software. Aber irgendwie war das alles nicht so flüssig, nicht so aus einem Guß wie bei Apple. Irgendwelche Kleinigkeiten störten immer und sei es nur, dass die Oberfläche einfach ruckelte. Also kehrte ich zu meinem 3G zurück.
Später habe ich mir das HTC Desire zugelegt. Vielleicht hatte sich ja etwas verändert und die Rezensionen klangen wirklich gut. Aber auch das dauerte nur wenige Tage. Immer noch dieses Google Mail. Exchange nur über Umwege bzw. mit der HTC Anwendung und dann auch nicht so ganz bequem. Alles in allem auch hier war das 3G und iOS schnell wieder im Einsatz.
Der Umstieg
Ich bin Programmierer. Irgendwann wollte ich also auch Anwendungen für mein Telefon entwickeln. Somit musste ein Mac her.
Ich war spazieren mit meinem Sohn und besuchte Gravis in den Schlossarkaden, nur mal gucken, purer Zufall natürlich. Ok, kurzentschlossen erstand ich ein kleines, weißes MacBook 13 – war gerade günstig weil ja neue Modelle rauskamen. Meine Frau staunte nicht schlecht, als ich damit zu unserem vereinbarten Essen im Vapiano erschien, schließlich sollte ich doch nur mit dem Sohnemann spazieren gehen.
Auch mein Bruder schlug zu und kaufte sich ein neues MacBook Pro 13 Zoll; das erste Modell mit dem neuen Aluminium Body. Natürlich mit “Vollausstattung”…
Als jahrelanger Windows-Anwender dauerte es eine Weile, bis ich das MacBook öfter nutzte. Sollte schließlich nur für das entwickeln von iPhone Anwendungen sein… (Die Story wie ich 2008 registrierter iPhone-Entwickler bei Apple wurde hebe ich mir mal für einen anderen Artikel auf.)
Bei meinem Bruder stellte sich schnell heraus, dass ihm Mac OS X nicht lag. Einfach zu ungewohnt, nicht seine Art zu arbeiten. Also war ich schnell Besitzer seines MacBook Pro 13 Alu und verkaufte mein weißes MacBook.
Aber der Umstieg war das für mich noch lange nicht. Ich brauchte ja Windows noch! Alle meine Windowsanwendungen die ich kannte, die ich gewohnt war! Also brachte ich sehr viel Zeit damit zu Bootcamp inkl. Windows 7 zu installieren und alle meine Windows-Anwendungen und Daten auf das neue MacBook zu migrieren. Als das geschafft war wurde das Dell Notebook konsequenter Weise verkauft. Ich hatte ja jetzt alles auf dem Mac, auch Windows.
Mit der Zeit begann mir zu dämmern, dass ich Bootcamp/Windows eigentlich gar nicht brauchte. Alle Windows-Anwendungen konnte ich durch Alternativen auf dem Mac ersetzen. Gespielt habe ich nie viel. Und mit der Zeit verschwand die Bootcamp-Partition vollständig.
Es ist einfach bequem mit Mac OS X zu arbeiten. Ein BSD im Hintergrund, ein Terminal immer verfügbar. Quasi die Vorzüge von Unix/Linux vereint unter einer optisch angenehmen, funktionalen Oberfläche mit allen Anwendungen die ich auch unter Windows genutzt hatte.
Apple Mail, iCal, Kontakte, Firefox, Adobe, … alles aus einem Guß. GCC, X-Code und die Freiheit auch Software aus dem Unix/Linux-Umfeld zu nutzen (ich weiß das gibt es auch unter Windows mit cygwin oder ähnlichem).
Zufriedenheit kehrte ein. Hinzu kamen viele Aha-Effekte:
Irgendwann hatte ich mir zu Hause ein NAS angeschafft (Synology). Das konnte auch TimeMachine-Backups über unser LAN/WLAN. Das habe ich natürlich eingerichtet, aber nie viel beachtet. Dann ein sehr dummer Fehler: sudo /bin/bash; rm -rf /Wichtige_OS_Dateien … Oje dachte ich, dein letztes Backup hast du vor zwei Wochen gemacht. Zu Hause angeschlossen, Snow Leopard CD rein, booten und dann die Überraschung: Das letzte Backup war vom Vortag 00:31Uhr. Ja stimmt, dachte ich da hast du ja kurz eine E-Mail geschrieben … und in dieser Zeit hatte TimeMachine schnell über WLAN ein Backup erstellt. Alles wieder da.
Inzwischen ist das MacBook Pro 13 einem neuen MacBook Pro 15 mit Core i7 gewichen. Auch dieser Wechsel war dank TimeMachine binnen zwei Stunden (200GB über 1GBit LAN) erledigt und ich musste nichtmal dabei sein. Neues MacBook anschließen, aus Backup wiederherstellen … und siehe alle Anwendungen und Daten wieder da wo sie sein sollten. Kein tagelanges neu installieren.
Übrigens genau wie beim iPhone: Mein Sohn schaffte es mein nagelneues iPhone 4 nach nur zwei Wochen fallenzulassen. Auf Mineralgemisch (das nimmt man als Unterbau für z.B. Terrassen, besteht aus vielen spitzen Steinen). Display hinüber. Aber ok, wir sind ja versichert. Nach zwei Wochen kam das Tauschgerät. Anschließen, iTunes, schon bekannt, synchronisieren, fertig – alles an seinem Platz. Kein tagelanges neu installieren.
Ein iPad kam nun auch ins Haus. Wozu brauchen wir das frage meine Frau natürlich. Inzwischen steht ihr alter PC still und sie weiß wofür sie das iPad braucht (“Frag vorher wenn du das mit zur Arbeit nimmst!!!”).
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Also was ist dran an diesen Vorwürfen?
Zu teuer? Mag sein, dass Apple Produkte teurer sind wenn man nur die Hardwarepreise vergleicht. Doch jeder kann selbst entscheiden was er kaufen möchte. Ich persönlich kaufe kein Apple Produkt wegen der Hardware. Ich kaufe die Hardware und die Software. Und da bekomme ich ein iOS, ein Mac OS X. Beides bringt alles mit was ich brauche. Beides lässt sich bedienen wie ich es möchte. Beides bietet mir alle Möglichkeiten die ich benötige.
Ein Gefängnis? Bevormundung durch Apple? Gar Willkür? Noch einmal: Niemand muss ein Apple Produkt kaufen. Es gibt so viele andere Entscheidungsmöglichkeiten. Und ich fühle mich nicht in einem Gefängnis. Ich fühle mich nicht bevormundet. Ich bin produktiv.
Und mit dem AppStore hat Apple einen Markt für Entwickler geschaffen den es so niemals vorher gegeben hat. Als Entwickler kann ich mich auf die Programmierung konzentrieren. Apple kümmert sich um die Verwaltung, Bezahlung, … den ganzen Kram um den ich mich nicht kümmern will oder kann. Ich erreiche damit Millionen potentielle Kunden. So etwas gab es noch nie. Dafür bin ich gern bereit 30% meiner Einnahmen zu zahlen die ich ohne das ohnehin nicht hätte. Tja, und der Hausherr macht die Spielregeln. So auch im AppStore. Entweder man akzeptiert das oder nicht. Jeder der es nicht akzeptieren kann möge sein eigenes Produkt entwickeln und verkaufen. Google zeigt das es geht.
Standardkost? Nein. Ich glaube Steve Jobs hat es selber einmal so oder so ähnlich formuliert: Es geht nicht nur um die Hardware. Vielmehr geht es um Software. Es geht darum dem Kunden zu geben was er braucht, auch wenn er noch gar nicht weiß das es das ist was er braucht. Es ist die Symbiose aus Design und Funktionalität die ein gutes Produkt ausmacht.
Nicht den Kundenwünschen hinter zu laufen, sondern voraus zu denken war die große Gabe von Steve Jobs. Ja, er war ein Visionär und ein genialer Erfinder. Es bleibt zu hoffen, dass Apple auch ohne ihn die gleiche Zug- und Innovationskraft entwickelt wie in den vergangenen Jahren. Aber es rumort ja schon, dass für vier Jahre in die Zukunft…
Daran kann man sich ein Beispiel nehmen. Vielleicht wird es dann auch mit Hurd noch was.
Eins dürfte klar sein. Ich bin überzeugt. Und das aus gutem Grund.
Nachtrag vom 05.08.2016: Immer noch überzeugt.